Verbal Behaviour (VB)

Verbal Behaviour (Verbales Verhalten) ist der Titel eines Buches von Dr. Burrhus Frederic Skinner.1 Skinner brauchte dreiundzwanzig Jahre bis zu dessen Fertigstellung. Verbal Behaviour erschien 1957 und gilt als das bedeutendste Werk des Behaviourismus. Trotzdem brauchte es nochmals zwanzig Jahre, bis es die verdiente Anerkennung fand. Bis heute gibt es noch keine deutsche Übersetzung. Es dauerte lange, bis die Fachwelt Kenntnis von diesem Buch nahm. Dies lag sicher auch an dem schwerfälligen Schreibstil von Skinner. Er war schon zu Lebzeiten eine anerkannte Kapazität. Seine Bücher hingegen sind sehr schwer zu lesen.

ABA beinhaltet unter anderem rezeptives Sprachvermögen. VB gliedert expressive Sprache auf. Damit ist VB eine ideale Ergänzung von ABA. Sprache ist hierbei nicht auf gesprochene (vokale) Sprache beschränkt. VB beinhaltet auch andere sprachliche Formen wie zum Beispiel Schrift oder Gebärdensprache. Die Verbesserung und Ergänzung von ABA durch und mit VB geht zurück auf die Wissenschaftler Dres. Mark Sundberg, James Partington, Jack Michael, Vincent Carbone und andere Forscher.

Verbales Verhalten unterliegt den gleichen Gesetzmäßigkeiten wie anderes Verhalten auch. Es zeichnet sich aber dadurch aus, dass es nicht direkt durch die Umgebung, sondern nur indirekt durch das Verhalten anderer Personen verstärkt wird. Menschliches Verhalten ist überwiegend verbales Verhalten.

Abgrenzung zur Linguistik

Prof. Dr. Noam Chomsky, ein führender Linguist, hatte Skinners Buch Verbal Behaviour gelesen und anschließend heftig kritisiert. Skinner antwortete nie auf diese Kritik. Aus heutiger Sicht meint man, Chomsky hatte gar nicht verstanden, um was es bei Verbal Behaviour geht.

Die Linguistik beschäftigt sich mit den formalen Aspekten der Sprache, wie zum Beispiel Phoneme, Morpheme, Lexikon, Syntax, Grammatik, Semantik, Artikulation, Prosodie, Intonation usw. Verbal Behaviour geht von der Funktionder Sprache aus und betrachtet Sprache als erlerntes Verhalten. Es gibt demnach keinen Interessenkonflikt zwischen Linguistik und Verbal Behaviour.

Arten elementarer verbaler Operanten

Rezeptives Sprachvermögen wird bereits in ABA abgedeckt und taucht daher bei den folgenden Arten elementarer verbaler Operanten nicht mehr auf:

  • Mand
  • Echoic
  • Tact
  • Intraverbal
  • Textual
  • Transkription

Skinner kreierte hier zum Teil englische Kunstworte, die in den folgenden Kapiteln erklärt werden. Zusätzlich zu den elementaren verbalen Operanten gibt es noch das "Complex Verbal Behaviour", das in diesem Buch nicht behandelt wird. Verbales Verhalten ist genau genommen nicht das, was man z. B. bei einem Mand zu hören oder zu fühlen bekommt. Verbales Verhalten besteht aus den Muskelbewegungen (z. B. des Stimmapparates), die notwendig sind, um die entsprechende Äußerung zu erzeugen. Das, was man zu hören oder zu fühlen bekommt, ist also nur das Ergebnis des verbalen Verhaltens.

Mand

Ein Mand liegt dann vor, wenn jemand etwas will oder nicht will und dies auch verbal ausdrücken kann. Der Begriff Mand ist abgeleitet von:

  • command (engl. Anordnung, Anweisung)
  • demand (engl. Anforderung)
  • countermand (engl. Absage)

Mand ist die erste Art von verbalem Operant, die ein Kind sich anfangs in Form von Schreien oder Weinen aneignet. Eltern werden zu richtigen Schreiforschern, denn mit der Zeit schreit ein Kind unterschiedlich je nach Grund: Hunger, Müdigkeit, Schmerz, Kälte, Angst, Wunsch nach Aufmerksamkeit, einem Spielzeug etc.

Das Schreien wird mit fortschreitender Entwicklung nach und nach ausgetauscht gegen gesprochene Sprache. Dabei gibt es auch nicht sprechende Zwischenschritte, zum Beispiel Zeigen (auch mit den Fingern der Eltern) auf den gewünschten Gegenstand. Mands sind sehr wichtig in der beginnenden Sprachentwicklung. Mands werden durch starke Motivation kontrolliert, denn das Kind will ja etwas, muss es aber ausdrücken können, um das Gewünschte zu erreichen. Am Anfang stehen Mands nach Dingen oder Aktionen. Später folgen Mands nach Informationen. Problemverhalten ist fast immer ein Mand (z. B. ein Wunsch nach etwas oder Vermeidung von Anforderungen). Es tritt oft dann auf, wenn das Kind noch keine andere Form der Kommunikation gelernt hat. Wenn Ihnen Ihr Kind z. B. gegen das Schienbein tritt, dann kann das ein Mand sein.

Echoic

Echoic ist eine Art von verbalem Operant, mit dem ein Sprecher das verbale Verhalten einer anderen Person wiederholt. Ein Kind sagt z. B. "Auto", weil es "Auto" gehört hat. Die Fähigkeit, Laute und Wörter wiederzugeben, ist nötig, um das Identifizieren von Objekten und Aktionen zu erlernen. Das Echoic-Repertoire ist sehr wichtig, um Kindern mit Sprachverzögerungen Sprache beizubringen. Es spielt eine kritische Rolle beim Erlernen von komplexeren verbalen Fähigkeiten. Wenn der Arzt in der Diagnose schreibt, das Kind hätte Echolalie, dann klingt das fast so schlimm, als hätte das Kind die Masern. Im Gegenteil, man sollte froh sein, wenn ein Kind Echolalie zeigt. Das ist ein ganz normaler Entwicklungsschritt, der mit etwa drei Jahren seinen Höhepunkt hat. Ein Kind ohne Echolalie müsste man im Normalfall erst zu diesem Entwicklungsschritt bringen.

Tact

Tact ist eine Art von verbalem Operant, mit der ein Sprecher etwas benennt (Label). Ein Kind sagt z. B. "Auto", weil es ein Auto sieht. Das Wort Tact ist abgeleitet von contact (engl. Kontakt). Ein Takt kann aber auch ein Mand nach Aufmerksamkeit sein. Beim Tact ist mindestens einer der fünf Sinne beteiligt. Das Kind muss noch nicht seine Vorstellungskraft einsetzen.

Weiter geht es in meinem Buch "Applied Behaviour Analysis und Verbal Behaviour: Grundlagen und Umsetzung bei Autismus (2. Auflage)" mit Intraverbals, Textuals, Transkriptions, FFCs (Feature, Function and Class: Merkmal, Funktion und Klasse) und dem Unterrichten von funktionaler Sprache.