Applied Behaviour Analysis (ABA)
Dieser Artikel beinhaltet Auszüge aus meinem Buch "Applied Behaviour Analysis und Verbal Behaviour: Grundlagen und Umsetzung bei Autismus (2. Auflage)":
Dr. Ole Ivar Lovaas legte ab den sechziger Jahren an der University of California, Los Angeles (UCLA), die Grundlagen zu Applied Behaviour Analysis (ABA). Obwohl ABA nicht speziell für Kinder mit Autismus entwickelt wurde, ist diese Therapieform heute der mit Abstand am besten erforschte und meist auch wirksamste Ansatz in der Förderung von Menschen mit Autismus.
Siehe DIMDI-Report: Frühinterventionen bei Kindern mit Autismus
Lovaas arbeitete mit noch sehr jungen Kindern im Schnitt vierzig Stunden pro Woche. Das entspricht in diesem Alter der gesamten Wachzeit des Kindes. Spätere Forscher gehen – je nach Kind individuell verschieden – von fünfundzwanzig bis vierzig Stunden pro Woche aus. An diesen Zahlen sieht man, eine optimale ABATherapie ist eine sehr intensive Angelegenheit. Alle zwei Wochen zwei Stunden Förderung in einem Autismus-Therapie-Zentrum (ATZ) sind viel zu wenig. Das klassische ABA nach Lovaas wurde im Laufe der Jahrzehnte stark verbessert und mit Verbal Behaviour (VB) ergänzt. Dieses Kapitel beschreibt in aufbauender Reihenfolge grundlegende ABA-Prinzipien. Klassisches ABA nach Lovaas hat aus heutiger Sicht ausgedient. Fangen Sie gleich mit modernen ABA/VB-Formen an. Sie sind den klassischen Formen überlegen, da sie u. a. die Prinzipien von ABA auch auf expressive Sprache anwenden (=> Verbal Behaviour).
Prompt
Die operante Konditionierung beeinflusst neue (d. h. nicht angeborene), ehemals spontane Reiz-Reaktions-Muster durch Konsequenzen wie Belohnung oder Bestrafung nachhaltig in ihrer Häufigkeit. Jetzt kann man aber meist nicht so lange warten, bis ein Kind ein gewünschtes Reiz-Reaktions-Muster spontan zeigt. Der Therapeut muss mit einem Prompt nachhelfen, damit die richtige Reaktion von Anfang an sichergestellt ist. Dies ist die Basis von "fehlerfreiem Lernen" (errorless learning). Das Gegenstück zum fehlerfreien Lernen ist Lernen durch Versuch und Irrtum (learning by trial and error). Ein Prompt ist jede Art von Hilfeleistung, um die richtige Reaktion zu erreichen. Es gibt drei Grundformen von Prompts:
• Verbale Instruktion (z. B. gesprochen oder textuell)
• Vormachen und nachmachen lassen
• Körperliches Führen
Ein Prompt muss direkt (d. h. ohne Verzögerung) mit dem SD gegeben werden. Er gehört damit auch zu den Antezedenzien. Die Gefahr bei den Prompts ist die Prompt-Abhängigkeit, die auf jeden Fall vermieden werden sollte. Deswegen gilt für Prompts generell: Es soll gerade so vielgepromptet werden, dass keine Fehler entstehen. Ein Prompt muss unbedingt mit der Zeit ausgeblendet werden (Prompt-Fading).
Discrete Trial Teaching
Discrete Trial Teaching (DTT) bedeutet übersetzt etwa: Unterrichten in diskreten Versuchen. DTT beinhaltet das Unterrichten von Einzelfähigkeiten nach der Dreifach-Kontingenz mit Prompt und einer je nach Umständen hohen Wiederholungsrate. Es ist das Arbeitspferd von ABA. DTT ist hoch strukturiert und kommt dem Bedürfnis vieler Autisten nach gleichförmigen Abläufen sehr entgegen. Gerade am Anfang muss die Abfolge der Aufgaben schnell sein. Die Zeitdauer zwischen den diskreten Unterrichtsversuchen (ITI: inter trial interval) muss kurz sein, um Problemverhalten zu vermeiden. Ein schnelles Unterrichten führt auch dazu, dass die Aufgaben mit der Zeit selbst zum Verstärker werden. Ein Mischen von Aufgaben aus verschiedenen Kategorien verbessert die Generalisierung und vermindert den Wunsch nach Flucht vor der Lernsituation. DTT hat gewisse Analogien zum Pauken von lateinischen Vokabeln. Ein anderer Begriff für DTT ist ITT (intensive teaching trials).
Natural Environment Teaching
Die Ergänzung zu DTT ist Natural Environment Teaching (NET), zu Deutsch etwa: Lernen in natürlicher Umgebung oder beiläufiges Lernen. Dr. Robert Koegel (ein Schüler von Lovaas) hat sich um NET sehr verdient gemacht. NET ist weitaus weniger strukturiert als DTT und beruht auf der Vierfach-Kontingenz unter Einbeziehung von Motivationsfaktoren. Es wird nicht nur am Tisch gelernt. Die Welt ist das Klassenzimmer. Die natürlichen Interessen des Kindes werden mit einbezogen. NET ist gut geeignet für Generalisierung und das Unterrichten von Mands. Ein artverwandter Begriff ist „On the Move Teaching“ (OTM), das Lernen unterwegs. Alle neurotypischen Eltern machen spontan NET mit ihren Sprösslingen. Für Kinder mit Autismus muss das allerdings intensiviert werden. Obwohl NET bezüglich der Motivation des Kindes sicher besser abschneidet als DTT, braucht man beides. Beide Prinzipien haben ihre Vor- und Nachteile. Die nötige Mischung ist individuell sehr verschieden.
Und weiter geht es in meinem Buch "Applied Behaviour Analysis und Verbal Behaviour: Grundlagen und Umsetzung bei Autismus (2. Auflage)" mit wichtigen Themen wie Generalisierung, Chaining (Verkettung), Shaping (Formung) und Abbau von unerwünschtem Verhalten.